Teile, Zubehör – und der Zolltarif

Sofern der Zolltarif nichts anderes bestimmt, gehören auf der Ware fest angebrachte Etiketten oder ähnliche Kennzeichen, die für die Funktion, den Gebrauch, die Wirkung oder das Wesen der Ware selbst keine Bedeutung haben, nicht zu deren für die zollrechtliche Tarifierung entscheidenden objektiven Merkmalen und Eigenschaften.

Teile, Zubehör – und der Zolltarif

Stellt der Zolltarif darauf ab, dass eine Ware „erkennbar“ ausschließlich oder hauptsächlich für einen bestimmten Zweck oder als Teil oder Zubehör für bestimmte andere Waren vorgesehen ist, muss die Erkennbarkeit im Augenblick der Zollabfertigung gegeben sein.

Wenn der Zolltarif keine besondere Regelung trifft, genügt es, dass ein Sachverständiger mit den ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware ihre Zweckbestimmung erkennen kann.

Aus der bloßen Eignung und Bestimmung einer Ware zum Einbau in eine andere Ware folgt nicht zwingend, dass sie für deren Funktionieren „unabdingbar“ ist.

Das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren ist allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der KN und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind, und nach den Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es Erläuterungen und Einreihungsavise, die ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen sind[1]. Auf den Verwendungszweck einer Ware darf abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen hierauf Bezug genommen wird und er sich in den objektiven Eigenschaften und Merkmalen der Ware niedergeschlagen hat[2].

Nach ständiger Rechtsprechung gehören Beschreibungen in Verkaufs- oder Herstellerprospekten, Auftrags- oder Lieferunterlagen, der Ware beiliegende Zeichnungen und Skizzen, die Bezeichnung im Handelsverkehr usw. nicht zu den objektiven Merkmalen und Eigenschaften einer Ware, sondern lediglich zu den Umständen, aus denen (insbesondere bei Spezialanfertigungen, bei denen der Verwendungszweck nicht auf der Hand liegt) Anhaltspunkte für die Prüfung und Ermittlung der objektiven Beschaffenheitsmerkmale gewonnen werden können[3], es sei denn, die KN bestimmt ausdrücklich etwas anderes und stellt z.B. auf die Etikettierung oder die Aufmachung der Ware ab[4].

Für auf der Ware fest angebrachte Etiketten, Warenzeichen, Stempel oder ähnliche Kennzeichen auf den Erzeugnissen oder auf ihrer Verpackung kann nichts anderes gelten. Sofern der Zolltarif nichts anderes bestimmt, gehören solche Kennzeichnungen, die für die Funktion, den Gebrauch, die Wirkung (z.B. bei einem Kunstwerk) oder das Wesen der Ware selbst keine Bedeutung haben, sondern ähnlich wie eine Bedienungsanleitung lediglich angeben, wie die Ware bezeichnet wird, welchem Zweck sie dient, wo und wie sie verwendet oder eingebaut werden soll, nicht zu den objektiven Beschaffenheitsmerkmalen der Ware, sondern zu den Umständen, aus denen ggf. Anhaltspunkte für deren Prüfung und Ermittlung gewonnen werden können.

Stellt der Zolltarif wie in Anm. 3 zu Abschn. XVII KN darauf ab, dass eine Ware als Teil oder Zubehör für andere Waren bestimmt ist, muss die Erkennbarkeit im Augenblick der Zollabfertigung gegeben sein. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der jeweilige Abfertigungsbeamte bei der Zollstelle dies aufgrund eigener Kenntnisse bei einer (laienhaften) Betrachtung ohne besondere Sachkunde oder rein visuell erkennen können muss. Wenn der Zolltarif keine besondere Regelung trifft (und dabei, wie etwa in der Unterpositions-Anm. 2 zu Kap. 17 KN oder der Anm. 8 zu Kap. 62 KN beispielsweise ausdrücklich oder sinngemäß auf die visuelle Erkennbarkeit abstellt oder wie in der Anm. 3 Buchst. a zu Abschn. – VI KN auf die Aufmachung), genügt es, dass ein Sachverständiger mit den ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware ihre Zweckbestimmung erkennen kann[5]. Soweit der Bundesfinanzhof abweichend entschieden hat[6], hält er hieran nicht fest.

Die Vorentscheidung entspricht diesen Grundsätzen nicht. Das Finanzgericht hat die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht in der gebotenen Weise getroffen und nicht entsprechend den nach der Rechtsprechung maßgeblichen Definitionen unter die von ihm für zutreffend erachtete Pos. 8803 KN subsumiert. Es hat aber auch keine Umstände festgestellt, die eine Einreihung in die Pos. 8803 KN ausschließen oder nach denen die Tanks zwingend in eine andere Position einzureihen sind. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Da die Pos. 8803 KN und die Anmerkungen zu Abschn. XVII KN nicht auf die Etikettierung, Aufmachung o.Ä. abstellen und die (hier: auf manchen der Tanks) aufgeklebten Etiketten lediglich wie in einer Bedienungsanleitung Angaben zum Einbau enthalten und das Wort „Aerospace“ nennen, für die Funktion bzw. das Funktionieren der Tanks selbst jedoch keine Bedeutung haben, gehören sie nicht zu den objektiven Merkmalen und Eigenschaften der Ware, sondern geben lediglich Hinweise für deren Ermittlung.

Eine Definition des Begriffs „Teile“ enthält die KN nicht. Dies gilt auch für Anm. 3 zu Abschn. XVII KN. Diese setzt den Begriff „Teile“ (und „Zubehör“) voraus und bestimmt lediglich (u.a.) zusätzlich, dass in den Kap. 86 bis 88 KN solche gemeint sind, die erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für Waren des Kap. 86, 87 oder 88 KN bestimmt sind.

Deshalb ist nach der Rechtsprechung des EuGH[7] im Interesse einer kohärenten Auslegung der KN auf die im Zusammenhang mit den Kap. 84 und 85 sowie Kap. 90 KN entwickelte Rechtsprechung zurückzugreifen, wonach der Begriff „Teile“ voraussetzt, dass es ein Ganzes gibt, für dessen Funktion oder Funktionieren diese Teile unabdingbar sind, während der Begriff „Zubehör“ eine auswechselbare Vorrichtung umfasst, die ein Gerät für die Ausführung einer bestimmten Arbeit geeignet macht, seine Verwendungsmöglichkeiten erweitert oder es in die Lage versetzt, eine im Zusammenhang mit seiner Hauptfunktion stehende Sonderarbeit auszuführen[8]. Hiernach reicht es für die Einstufung einer Ware als „Teil“ nicht aus, nachzuweisen, dass die Maschine oder das Gerät ohne diese Ware nicht ihrer Bestimmung gemäß verwendet werden kann, denn das könnte u.a. auch beim Fehlen eines Zubehörs der Fall sein.

Für das Tatbestandsmerkmal der „Erkennbarkeit“ ist nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht auf die Sichtweise eines Durchschnittsbetrachters abzustellen, sondern es kann, wie ausgeführt, auch ein Sachverständiger hinzugezogen werden[9], weil die KN die „Erkennbarkeit“ in der Anm. 3 zu Abschn. XVII KN in Bezug auf die Pos. 8803 KN nicht (auf einen bestimmten Grad der Sachkunde oder bestimmte Erkenntnismittel) beschränkt.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. Oktober 2018 – VII R 19/17

  1. vgl. etwa BFH, Urteil vom 26.09.2017 – VII R 17/16, BFH/NV 2018, 249, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern -ZfZ- 2018, 139; Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union -EuGH- Metherma vom 27.11.2008 – C-403/07, EU:C:2008:657, ZfZ 2009, 15[]
  2. vgl. etwa BFH, Urteile in BFH/NV 2018, 249, ZfZ 2018, 139; vom 31.05.2005 – VII R 49/04, BFH/NV 2005, 2067, ZfZ 2006, 262; vom 23.07.1998 – VII R 91/97, BFH/NV 1999, 234[]
  3. vgl. z.B. EuGH, Urteil Ikegami vom 17.03.2005 – C-467/03, EU:C:2005:182, ZfZ 2005, 161; BFH, Beschlüsse vom 21.10.2015 – VII B 145/14; vom 09.10.2008 – VII B 31/08, BFH/NV 2009, 236; BFH, Urteile vom 09.10.2001 – VII R 69/00, BFH/NV 2002, 560, ZfZ 2002, 46; vom 18.12 2001 – VII R 78/00, BFH/NV 2002, 690[]
  4. vgl. etwa Zusätzliche Anm. 1 zu Kap. 30 KN; Erläuterungen zum Harmonisierten System 03.0 zu Pos. 3005; EuGH, Urteil Salutas Pharma vom 17.02.2016 – C-124/15, EU:C:2016:87, Pharma Recht 2016, 125; BFH, Beschluss vom 17.07.2013 – VII B 103/12, BFH/NV 2013, 1824; BFH, Urteil vom 17.02.1994 – VII R 92/93, BFH/NV 1994, 905[]
  5. vgl. BFH, Urteile in BFH/NV 2002, 560, ZfZ 2002, 46; und vom 18.07.1972 – VII R 123/69, BFHE 106, 395; vgl. aber auch BFH, Beschluss vom 03.08.2010 – VII B 71/10, BFH/NV 2011, 321, Rz 14[]
  6. BFH, Urteil vom 17.10.2006 – VII R 41/05, BFH/NV 2007, 289, und Beschluss vom 12.03.2008 – VII B 137/07, BFH/NV 2008, 1554[]
  7. EuGH, Urteile G.E. Security vom 25.02.2016 – C-143/15, EU:C:2016:115, Rz 60; Rohm Semiconductor vom 20.11.2014 – C-666/13, EU:C:2014:2388, Rz 44; HARK vom 12.12 2013 – C-450/12, EU:C:2013:824, ZfZ 2014, 105[]
  8. vgl. u.a. EuGH, Urteile Oliver Medical vom 04.03.2015 – C-547/13, EU:C:2015:139; Rohm & Haas Electronic Materials CMP Europe u.a. vom 19.07.2012 – C-336/11, EU:C:2012:500; Turbon International vom 07.02.2002 – C-276/00, EU:C:2002:88, Rz 30 und 32, Slg. 2002, I-1389; Peacock vom 19.10.2000 – C-339/98, EU:C:2000:573, Rz 21, Slg. 2000, I-8947; Unomedical vom 16.06.2011 – C-152/10, EU:C:2011:402, Rz 29, Slg. 2011, I-5433; RUMA vom 15.02.2007 – C-183/06, EU:C:2007:110, Rz 31, Slg. 2007, I-1559[]
  9. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2002, 560, ZfZ 2002, 46[]