Mit der Abgrenzung zwischen betrieblich veranlassten Darlehen und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Einlagen bei Kapitalüberlassungen zwischen verbundenen Unternehmen hatte sich aktuell der Bundesfinanzhof zu befassen:
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Dem zugrunde lag der Fall einer inländischen oHG, an der ausschließlich juristische Personen beteiligt waren. Sie war in den Streitjahren 2002 und 2004 Alleingesellschafterin der A, einer italienischen Kapitalgesellschaft (S.R.L.).Gegenüber dieser Gesellschaft war 2002 eine nicht besicherte Forderung aus einem Kontokorrentkredit. Die Forderung wurde mit 4, 57 % (1. Halbjahr 2002), 4, 47 % (2. Halbjahr 2002), 3, 14 % (1. Halbjahr 2004) beziehungsweise 3, 13 % (2. Halbjahr 2004) verzinst. Zum 31.12.2002 verzichtete die oHG gegen Besserungsschein auf einen Teil der Forderung. In der Folge stieg die Forderung bis Ende 2004 wieder an. Die oHG verzichtete sodann erneut gegen Besserungsschein auf einen Teil der Forderung. Die Beträge entsprachen dem nach Ansicht der Vertragsbeteiligten jeweils wertlosen Teil der Forderung. Diese Teilbeträge wurden zwar in der jeweiligen Bilanz der oHG gewinnmindernd ausgebucht, jedoch hat das Finanzamt die Gewinnminderungen nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes (AStG) durch eine außerbilanzielle Hinzurechnung bei der Einkommensermittlung neutralisiert.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Hessischen Finanzgericht Erfolg[1]. Auf die Revision des Finanzamtes hat der Bundesfinanzhof die Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen[2]. Die oHG hat gegen jenes Urteil erfolgreich Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat das BFH, Urteil aufgehoben und die Sache an den Bundesfinanzhof zurückverwiesen[3]. Der Bundesfinanzhof hat nunmehr das Urteil des Hessischen Finanzgerichts erneut aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Hessische Finanzgericht zurückverwiesen:
Das Fehlen ausreichender Feststellungen stellt einen materiellen Mangel des Urteils dar, der auch ohne Rüge zur Aufhebung der Vorentscheidung führt[4]. Im Streitfall hat es die Vorinstanz unterlassen, ausreichende Feststellungen zur steuerrechtlichen Qualifizierung der streitgegenständlichen Kapitalüberlassungen als Einlagen oder Darlehen zu treffen.
Bei der Beurteilung von Kapitalüberlassungen zwischen verbundenen Unternehmen muss unterschieden werden, ob das zugeführte Kapital dauerhaft in das Vermögen der empfangenden Gesellschaft übergehen sollte und eine Rückzahlung nicht beabsichtigt war[5] oder ob die Beteiligten -im Sinne einer ernstlichen Abrede- von der Überlassung von Kapital auf Zeit ausgegangen sind und davon ausgehen konnten, dass der Darlehensvertrag durchgeführt, insbesondere also das Darlehen zurückgezahlt wird. Für diese Abgrenzung sind nur objektiv überprüfbare Umstände heranzuziehen; im Übrigen ist von den fremdüblichen Voraussetzungen einer Darlehensgewährung auszugehen[6].
Das Finanzamt hat zu Recht gerügt, dass sich die Vorinstanz, die von einer Darlehenshingabe ausgegangen ist, zu dieser entscheidungserheblichen Abgrenzungsfrage weder rechtlich geäußert noch hierzu ausreichende tatsächliche Feststellungen getroffen hat; daher fehlt auch die gebotene, allein dem Tatgericht obliegende Gesamtwürdigung der festgestellten Einzeltatsachen. Der Bundesfinanzhof sah sich an die Würdigung des Finanzgerichtes, dass es sich um eigenkapitalersetzende Darlehen handele, nicht gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Denn eine solche Bindung setzt voraus, dass das Tatgericht die für die Würdigung der Sachumstände als Darlehenshingabe maßgeblichen Einzeltatsachen festgestellt hat, woran es vorliegend jedoch fehlt. Die Sache war für den Bundesfinanzhof jedoch noch nicht spruchreif; die Abgrenzung zwischen Darlehen und Einlage konnte im Streitfall nicht dahinstehen:
Im Falle einer Einlage hätten sich insoweit die Anschaffungskosten der oHG auf die Beteiligung an der A erhöht. Eine gewinnmindernde Teilwertabschreibung auf diese Beteiligung wäre gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 des Körperschaftsteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung ausgeschlossen; die Klage wäre bereits aus diesem Grunde abzuweisen gewesen.
Im Falle der Ausbuchung einer betrieblich veranlassten Darlehensforderung hängt die Steuerwirksamkeit der Teilwertabschreibung indes davon ab, ob die Voraussetzungen für eine Einkünftekorrektur gemäß § 1 Abs. 1 AStG erfüllt sind und eine nach nationalrechtlichen Maßstäben durchzuführende Einkünftekorrektur mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar ist[7]. Da es aber bereits in tatsächlicher Hinsicht ungewiss ist, ob § 1 AStG im Streitfall mit Blick auf eine Darlehenshingabe überhaupt zur Anwendung kommen kann, sieht der Bundesfinanzhof von der Prüfung ab, ob das Unionsrecht einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG entgegenstehen könnte. Auf dieser Grundlage ist auch von einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in diesem Streitfall abzusehen[8].
Im zweiten Rechtsgang wird das Finanzgericht in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht zu prüfen haben, ob die Kapitalüberlassungen als Darlehen zu qualifizieren sind. Das Finanzamt hat sowohl im Klage- als auch im Revisionsverfahren objektiv überprüfbare Gesichtspunkte angeführt, die gegen eine Darlehenshingabe sprechen.
Das Finanzgericht wird auch dem Vorbringen des Finanzamtes nachzugehen haben, wonach vereinbart gewesen sei, A solle (nur) „eventuelle Liquiditätsüberschüsse“ zurücktransferieren. Eine solche Abrede könnte Anlass zu einer Prüfung geben, ob der Passivierung einer etwaigen Rückzahlungsverpflichtung aus dem (behaupteten) Darlehensverhältnis bei A der Rechtsgedanke des § 5 Abs. 2a des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung entgegensteht, was wiederum auf die Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Besteuerung der oHG ausstrahlen könnte[9].
Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. April 2024 – I R 67/23
- Hess. FG, Urteil vom 29.08.2018 – 2 K 1744/16, EFG 2019, 1363[↩]
- BFH, Urteil vom 14.08.2019 – I R 34/18, BFH/NV 2020, 757[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 08.11.2023 – 2 BvR 1079/20, IStR 2024, 139[↩]
- z.B. BFH, Urteile vom 04.10.2006 – VIII R 54/04, BFH/NV 2007, 190; vom 27.04.1999 – III R 21/96, BFHE 189, 255, BStBl II 1999, 670[↩]
- BFH, Urteil vom 06.11.2003 – IV R 10/01, BFHE 204, 438, BStBl II 2004, 416[↩]
- vgl. zum Ganzen BFH, Urteile vom 17.12.2014 – I R 23/13, BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261; vom 13.01.2022 – I R 15/21, BFHE 276, 1, BStBl II 2023, 675[↩]
- vgl. dazu im Einzelnen BFH, Urteil vom 13.01.2022 – I R 15/21, BFHE 276, 1, BStBl II 2023, 675, m.w.N.[↩]
- s. allgemein zur Vorlageverpflichtung im Zusammenhang mit § 1 AStG: BVerfG, Beschluss vom 04.03.2021 – 2 BvR 1161/19, HFR 2021, 504[↩]
- s. BFH, Urteil vom 10.11.2005 – IV R 13/04, BFHE 211, 294, BStBl II 2006, 618, dort Rz 31[↩]