Einem in Deutschland wohnhaften Verbraucher steht wegen „Kauf- und Dienstleistungsverträgen“ über Teakbäume in Costa Rica, die über Fernkommunikationsmittel mit einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen ohne Widerrufsbelehrung abgeschlossen wurden, ein Widerrufsrecht zu. Dieses Widerrufsrecht ist zeitlich nicht befristet.
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In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall bot eine in der Schweiz ansässige Unternehmerin über ihre Internet-Homepage Interessenten den Ankauf von Teakbäumen auf Plantagen in Costa Rica an, um nach Jahren mit dem Verkauf des Holzes dieser Bäume eine Rendite zu erzielen („Teakinvestment – Das natürliche Kraftpaket für ihr Portfolio“). Zusätzlich offerierte sie ihren Kunden, die erworbenen Bäume während der Laufzeit des Vertrages zu bewirtschaften, zu verwalten, zu schlagen, auszuforsten, zu ernten und zu verkaufen. Der in Deutschland wohnhafte Käufer schloss in den Jahren 2010 und 2013 mit der Unternehmerin über Fernkommunikationsmittel jeweils einen „Kauf- und Dienstleistungsvertrag“ über 800 beziehungsweise 600 Teakbäume für 37.200 € beziehungsweise 44.000 € mit einer Laufzeit von 17 beziehungsweise 14 Jahren. In den AGB der Unternehmerin ist bestimmt, das Vertragswerk unterstehe Schweizer Recht und Streitigkeiten unterstünden einzig der ordentlichen Gerichtsbarkeit am Sitz der Unternehmerin in der Schweiz; weiterhin wird die Anwendung des Wiener Kaufrechts (CISG) ausdrücklich ausgeschlossen. Über etwaige Widerrufsrechte wurde der Käufer nicht belehrt. Spätestens mit der Klageschrift vom August 2020 hat der Käufer seine auf die beiden Vertragsabschlüsse gerichteten Willenserklärungen widerrufen.
Die insbesondere auf die Rückzahlung der Entgelte abzüglich der bereits erhaltenen Holzerlöse in Höhe von 1.604,86 € und 2.467,07 €, insgesamt also auf Zahlung von 35.595,14 € und 41.532,93 €, Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Rechte des Käufers aus den Verträgen, gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen vor dem Landgericht Köln[1] und dem Oberlandesgericht Köln[2] ganz überwiegend Erfolg gehabt. Mit der vom Oberlandesgericht Köln zugelassenen Revision hat die Unternehmerin ihr Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt. Die hiergegen gerichtete Revision der Unternehmerin hatte vor dem Bundesgerichtshof keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof bejahte ebenfalls einen Anspruch des Käufers auf Rückzahlung der von ihm gezahlten Entgelte unter Abzug bereits erhaltener Erlöse, Zug um Zug gegen Rückübertragung der Rechte aus den Kauf- und Dienstleistungsverträgen, nach § 312b Abs. 1 Satz 1, § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1, § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (aF) in Verbindung mit § 346 Abs. 1, § 348 Satz 1 BGB.
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für den vorliegenden Rechtsstreit folgt aus Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 Alt. 2 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 30. Oktober 2007 (im Folgenden: LugÜ II). Der Käufer hat in Bezug auf die Verträge vorliegend als Verbraucher gehandelt und die Unternehmerin hat ihre gewerbliche Tätigkeit auf der Grundlage der Feststellungen des Oberlandesgerichts Köln auf Deutschland ausgerichtet. Die in den AGB der Unternehmerin enthaltene Regelung über die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte am Sitz der Unternehmerin in der Schweiz ist nach Art. 17 LugÜ II unwirksam.
Die streitgegenständlichen Verträge unterliegen gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Rom I-VO dem materiellen deutschen Recht; Art. 6 Abs. 4 Buchst. a und c Rom I-VO sind nicht einschlägig. Der Anwendbarkeit des materiellen deutschen Rechts steht die von den Parteien in Ziffer 27 der AGB gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO getroffene Wahl des Schweizer Rechts nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob diese Rechtswahlklausel überhaupt wirksam ist, denn die Anwendbarkeit des deutschen Rechts auf sämtliche im vorliegenden Fall maßgeblichen rechtlichen Fragestellungen ergibt sich unter den hier gegebenen Umständen bereits aus dem in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO verankerten Günstigkeitsprinzip.
Dem Käufer stand nach § 312b Abs. 1 Satz 1, § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1 BGB aF ein Widerrufsrecht zu, das nicht gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF ausgeschlossen ist. Für die Anwendung dieser Ausnahmevorschrift ist maßgeblich, dass der spekulative Charakter den Kern des Geschäfts ausmacht. Vorliegend geht es jedoch um eine langfristige Investition, der nur mittelbar spekulativer Charakter zukommt. Soweit § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF auf Preisschwankungen innerhalb der Widerrufsfrist abstellt, richtet sich deren Länge insoweit nach der vom Gesetz für den Regelfall der ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung vorgesehenen Widerrufsfrist von 14 Tagen.
Der Käufer hat das Widerrufsrecht auch wirksam ausgeübt; insbesondere war mangels ordnungsgemäßer Belehrung des Käufers über sein Widerrufsrecht die Widerrufsfrist im Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht abgelaufen.
Bei den vorliegenden Verträgen handelt es sich um Finanzdienstleistungsverträge im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB aF. Das Widerrufsrecht des Käufers ist deshalb nicht nach Art. 229 § 32 Abs. 2 (in Verbindung mit Abs. 4) EGBGB zu dem dort genannten Zeitpunkt erloschen. Der Begriff der Finanzdienstleistung ist nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass eine Geldanlage nur vorliegt, wenn Anlageobjekt ausschließlich Finanzinstrumente sind. Der deutsche Gesetzgeber hat die Definition der Finanzdienstleistung aus Art. 2 Buchst. b RL 2002/65/EG (Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie) übernommen, sodass für die Ausfüllung des Begriffs auf das unionsrechtliche Verständnis zurückzugreifen ist. Zwar stellten nach dem ursprünglichen Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission Direktinvestitionen in Sachgüter keine Finanzdienstleistung dar. Im weiteren europäischen Gesetzgebungsverfahren wurde der Begriff der Finanzdienstleistung jedoch bewusst weit gefasst und erstreckt sich nunmehr auch auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Geldanlage.
Ob dabei bereits der reine Verkauf von Sachgütern zum Zweck der Geldanlage als Finanzdienstleistung angesehen werden kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, denn die hier durch die „Kauf- und Dienstleistungsverträge“ begründeten Pflichten der Unternehmerin sowie die zugrunde liegende Interessenlage der Parteien unterscheiden sich wesentlich von denjenigen eines reinen Verkaufs von Sachgütern und rechtfertigen die Qualifikation des Gesamtvertrags als Finanzdienstleistung.
Zum einen besteht nach der Gesamtkonzeption des von der Unternehmerin einheitlich angebotenen „Teakinvestments“ die aus der Sicht des Verbrauchers wesentliche Leistung der Unternehmerin ersichtlich nicht in der für einen reinen Erwerb von Sachgütern charakteristischen Verschaffung des Eigentums an den Bäumen, sondern in den zur Realisierung einer Rendite aus dem Investment bei lebensnaher Betrachtung erforderlichen Dienstleistungen der Unternehmerin, insbesondere der Verwertung der Bäume am Ende der Vertragslaufzeit.
Zum anderen verfolgt die Unternehmerin als Anbieterin des „Teakinvestments“ mit der von ihr angestrebten Bündelung von Anlegerkapital und der jahrelangen Vertragslaufzeit ein Konzept, das über den reinen – auch institutionalisierten – Verkauf von Sachgütern hinaus Parallelen beispielsweise zu einem Sachwertefonds aufweist.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. Mai 2024 – VIII ZR 226/22
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