Von einem Zubringerdienst im Sinne von Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ ist nur dann auszugehen, wenn der Oberflächenbeförderung lediglich eine reine Hilfsfunktion für die Luftbeförderung zukommt. Unterbleibt eine Luftbeförderung auf der Teilstrecke, obwohl eine solche technisch und verbindungsmäßig möglich wäre, hat die Oberflächenbeförderung keine Hilfsfunktion mehr, sondern einen die Luftbeförderung ersetzenden eigenständigen Charakter.
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Wichtig ist diese Unterscheidung für die Frage, ob die unbeschränkte Haftung des Frachtführers gemäß § 435 HGB nach § 452a Satz 1 HGB durch Art. 22 Abs. 3 MÜ (Haftung nur bis zu einem Höchstbetrag von 17 und ab 1.01.2010 von 19 Sonderziehungsrechten, je Kilogramm) ersetzt wird.
Im vorliegenden Fall verneinte der Bundesgerichtshof das Vorliegen eines Zubringerdienstes: Es steht nicht fest, dass der Verlust des streitgegenständlichen Pakets während der Luftbeförderung im Sinne von Art. 18 Abs. 1 und 3 MÜ eingetreten ist. Das Paket mit den darin enthaltenen sechs Schaltungen kann auch während der Landbeförderung vom Flughafen Köln/Bonn zur Versicherungsnehmerin, die in M. ansässig ist, abhandengekommen sein. Gemäß Art. 18 Abs. 4 Satz 1 MÜ umfasst der Zeitraum der Luftbeförderung grundsätzlich nicht die Beförderung zu Land, zur See oder auf Binnengewässern außerhalb eines Flughafens. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Beförderung bei Ausführung des Luftbeförderungsvertrags zum Zweck der Verladung, der Ablieferung oder der Umladung (Zubringerdienst) erfolgt. In einem solchen Fall wird gemäß Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Schaden durch ein während der Luftbeförderung eingetretenes Ereignis verursacht worden ist.
Bei einem Transport vom Flughafen Köln/Bonn in die Nähe von München handelt es sich nicht um einen Zubringerdienst im Sinne von Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ. Oberflächenbeförderungen gemäß Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ kommt lediglich eine reine Hilfsfunktion für die Luftbeförderung zu. Echte Hilfsfunktion hat nur diejenige Oberflächenbeförderung auf einer Teilstrecke, für die eine Luftbeförderung beispielsweise wegen Fehlens eines unmittelbar benachbarten geeigneten Flugplatzes oder in Ermangelung passender Verkehrsverbindungen am Ausgangsoder Endpunkt der Teilstrecke nicht möglich ist. Unterbleibt eine Luftbeförderung auf der Teilstrecke, obwohl eine solche technisch und verbindungsmäßig möglich wäre, hat die Oberflächenbeförderung keine Hilfsfunktion mehr, sondern einen eigenständigen Alternativcharakter[1].
Da die streitgegenständliche Sendung vom Flughafen Köln/Bonn nach München also in die Nähe des bestimmungsgemäßen Ablieferungsortes auch per Luftfracht hätte befördert werden können, kommt einer Oberflächenbeförderung per LKW keine bloße Hilfsfunktion mehr zu. Sie hat vielmehr im Verhältnis zur vorangegangenen Luftbeförderung einen eigenständigen, die Luftbeförderung ersetzenden Charakter.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Juni 2012 – I ZR 161/10
- vgl. Reuschle, Montrealer Übereinkommen, 2. Aufl., Art. 18 Rn. 41; Koller, Transportrecht, 7. Aufl., Art. 18 WA 1955 Rn. 13; MüllerRostin in: Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Bd. 3 Montrealer Übereinkommen, Art. 18 Rn. 89; Brinkmann, Der Luftfrachtersatzverkehr [2009], S. 73 ff.[↩]